Das ist der entscheidende Faktor für guten Sex (nicht nur in Langzeitbeziehungen) 

Es gibt unzählige Geschichten über schlechten Sex. Sei es bei Tinder-Dates oder nach fünfzehn Ehejahren. Damit der Sex in Langzeitbeziehungen dagegen aufregend bleibt und One-Night-Stands in guter Erinnerung bleiben, Bedarf es schon etwas Anstrengung. Aber damit ist keine besondere Technik oder Muskelpower gemeint, sondern Anstrengungen ganz anderer Natur. 

David Schnarch war ein renommierter Sexualtherapeut und Beziehungsexperte, der für seine Arbeit im Bereich der Paarberatung und -therapie bekannt ist. 1997 veröffentlichte er erstmals seine Gedanken über „Passionate Marriage. Love, Sex, and Intimacy in Emotionally Committed Relatiionships“. Eine seiner zentralen Theorien ist das Konzept des „Differenzierungsgrads“ oder der „Differenzierung“. Dieses Konzept spielte eine entscheidende Rolle in seiner Herangehensweise an die Bewältigung von Beziehungsproblemen und der Förderung erfüllender Intimität in langjährigen Partnerschaften. 

Die Idee hinter dem Begriff des „Differenzierungsgrads“ lässt sich auf einige Punkte herunterbrechen. Sie sind laut Schnarch entscheidend für guten Sex – auch in kurzweiligen Verbindungen.

1. Individuelle Selbstständigkeit: Der Differenzierungsgrad bezieht sich auf die Fähigkeit eines Individuums, seine individuelle Identität, Werte, Bedürfnisse und Wünsche innerhalb einer Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Es bedeutet, ein starkes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen zu besitzen, ohne sich in der Beziehung zu verlieren oder sich von den Bedürfnissen und Wünschen des Gegenübers dominieren zu lassen. Aber Achtung: zu einfach macht man es sich, wenn man das so interpretieren mag, dass nur die eigene Perspektive entscheidend sei oder man möglichst viel emotionale Distanz halten sollte. Das Gegenteil ist der Fall. 

2. Autonomie in der Nähe: Ein hoher Differenzierungsgrad ermöglicht es Menschen, sich in einer engen Beziehung oder Partnerschaft emotional nahe zu sein, ohne ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Das bedeutet, dass man Nähe und Intimität in einer Beziehung genießen kann, ohne Angst davor zu haben, seine eigene Identität zu verlieren.

3. Selbstregulierung: Differenzierung beinhaltet auch die Fähigkeit, emotionale Selbstregulation zu praktizieren. Das bedeutet, dass man in der Lage ist, mit seinen eigenen Emotionen umzugehen, ohne diese auf den Partner oder die Partnerin zu projizieren oder in ungesunde Verhaltensweisen zu verfallen. Es geht darum, emotionale Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Das heißt, nicht in eine Opferhaltung zu gehen, in der ich bei der Erfüllung meiner Erwartungen von der Reaktion des anderen abhängig bin. Es bedeutet, dass ich selbst für mich da bin, dass ich Mitgefühl mit mir selbst praktiziere. Dass ich Entscheidungen treffen kann, ohne die Validierung durch andere zu brauchen und mir selbst Bestätigung darin geben zu können, dass ich gut genug bin. 

4. Konfliktbewältigung: In differenzierten Beziehungen ist die Fähigkeit zur Konfliktbewältigung oft höher. Partner und Partnerinnen können Meinungsverschiedenheiten und Konflikte offen und respektvoll besprechen, ohne in destruktive Muster zu verfallen. Dazu gehört die Stärke, sich bei Kritik nicht als ganzen Mensch angegriffen zu fühlen und sofort in die Abwehrhaltung zu gehen. Sondern sich die Aspekte in Ruhe anzuhören und selbst darüber zu entscheiden, welche Punkte zu einer Weiterentwicklung beitragen könnten und welche nicht. Ein hoher Differenzierungsgrad bedeutet im Hinblick auf Konflikte übrigens auch, dass ich diesen nicht aus dem Weg gehe, sondern mich mit dem Thema, mit meinem Gegenüber und mit mir selbst intensiv auseinandersetze. Hier ist aktive harte Arbeit gefragt, auch an den eigenen Anteilen. 

Diese Punkte zusammen machen den Differenzierungsgrad einer Person nach Dr. Schnarch aus. Und sie sind die entscheidenden Faktoren, die das Ausmaß an sexueller Intimität und damit den Spaß an der Sache beeinflussen.

Verbindungen, in denen alle Beteiligten eine hohe Fähigkeit darin besitzen, die eigene Identität unabhängig vom anderen aufrecht zu erhalten, in der Autonomie trotz emotionaler Nähe zugelassen werden kann (was wahrlich der schwerste Part ist!), in der jeder und jede seine Gefühle selbst regulieren kann und sich nicht von Fremdbestätigungen abhängig macht sowie, in der mit Konflikten möglichst konstruktiv umgegangen wird, machen den besten Sex möglich. 

Denn ein kalter Fisch, der nur stumpf welche Technik auch immer abspult und ansonsten mit dem Kopf und mit dem Herz abwesend ist, macht weniger Spaß als eine Person, die den Mut hat, den Moment als Mensch zu erleben und zu fühlen. Das erfordert den Mut, eine selbstständige Persönlichkeit beim Sex zu sein und nicht nur ein Körper. Es erfordert den Mut, neben körperlicher Nähe, auch emotionalen Kontakt herzustellen. Und es erfordert das Selbstwertgefühl, zu seinem Körper zu stehen wie er ist und nicht auf übermäßige Bestätigung von außen zu hoffen.

Schnarch betont in seinem Buch, das mittlerweile in vielen Ländern und Sprachen veröffentlicht wurde (auf Deutsch unter dem Titel „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“), dass die Entwicklung des Differenzierungsgrads ein lebenslanger Prozess ist. Mach dir also bitte keinen Druck. In einer Paar- oder Einzeltherapie kann man beispielsweise daran arbeiten, den individuellen Differenzierungsgrad zu stärken und Beziehungen auf eine tiefere und erfüllendere Ebene zu heben. Durch die Entwicklung der Fähigkeit zur Differenzierung können Singles und Paare eine gesunde Balance zwischen Nähe und individueller Selbstständigkeit erreichen, was möglicherweise mit gutem Sex belohnt wird.

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