Marie Birtel: „Ich liebe dich, wenn …“ – ist es verdeckter Narzissmus?

Marie Birtel ist zertifizierte Psychologische Beraterin und spezialisiert darauf Abhängigkeitsmuster in (Familien-)Systemen und Beziehungen aufzudecken. Ihr Fokus liegt darauf, diejenigen dabei zu begleiten, belastende Beziehungsmuster zu erkennen und sich daraus zu befreien, um ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Als Autorin der Selbsthilfeerzählung „Ich Liebe Dich, Wenn …“ vermittelt sie auf eine tiefsinnige und komplexe Weise, wie sich verdeckter Narzissmus in Familiensystem zeigen kann und wie man es erkennt. Die Autorin stand bereits auf der FAIL IN LOVE NIGHTS Bühne in Hamburg. In diesem Interview gibt sie dir nochmals Einblick darin, wie sie auf die Idee zu ihrem Buch gekommen ist und wie du Abhängigkeitsmuster in deinem Leben aufdecken kannst.

 

Was hat dich dazu inspiriert, „Ich liebe dich, wenn …“ zu schreiben?

Dieses Buch ist aus einer tiefen inneren Notwendigkeit entstanden. Ich musste meine Wahrheit aussprechen. Zu lange hatte ich sie unter der Oberfläche gehalten – aus Angst, aus Loyalität, aus Scham. Aber irgendwann war klar: Wenn ich nicht beginne, meine Geschichte zu erzählen, wird sie mich von innen auffressen. „Ich liebe dich, wenn …“ ist meine Geschichte – verdichtet, fiktionalisiert, aber wahr in ihrem Kern. Es ist der Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Und es ist der Anfang einer größeren Bewegung: Mit der Kampagne #IamEmma möchte ich Opfern narzisstischer Gewalt eine Stimme geben. Denn Emma bin nicht nur ich – Emma sind Tausende. Und zu viele von ihnen schweigen noch.

 

Inwiefern spiegelt die Figur Emma reale Erfahrungen wider?

Emma ist ein Spiegel. Sie ist meine Geschichte, aber nicht nur meine. Sie steht für all die innerlich zerrissenen Frauen (und Männer), die in scheinbar „intakten“ Familien aufgewachsen sind – in Wahrheit aber emotional manipuliert, benutzt, ignoriert oder beschämt wurden. Emmas Schmerz ist real. Ihre Verwirrung. Ihr Durchhalten. Ihre Suche. Das alles habe ich selbst erlebt – und viele meiner Klient:innen auch. Emma wurde geboren, damit wir kollektiv begreifen: Wenn wir anfangen, die Wahrheit auszusprechen, beginnt Heilung.

 

Was ist ein Narzisst oder eine Narzisstin – und wer ist einfach nur ein Arschloch?

Nicht jede schwierige Person ist ein Narzisst. Aber ein:e Narzisst:in erkennt man daran, dass er oder sie systematisch manipuliert, die Verantwortung immer abgibt, keine Empathie kennt und Menschen emotional destabilisiert – oft unter dem Deckmantel von Liebe, Sorge oder Schwäche. Ein „Arschloch“ kann laut, grob oder egoistisch sein – aber es fehlt die destruktive Strategie dahinter. Narzisstischer Missbrauch ist psychologische Kriegsführung. Und oft jahrelang unsichtbar.

Was unterscheidet verdeckten Narzissmus von offenem Narzissmus?

Verdeckte Narzisst:innen wirken nach außen oft sensibel, hilfsbereit oder selbst unsicher – aber im Inneren nutzen sie gezielt Schuld, Scham und emotionale Abhängigkeit, um Kontrolle auszuüben. Anders als offene Narzisst:innen, die laut und dominant auftreten, sind sie leise Täter:innen. Sie zerstören nicht durch Gewalt – sondern durch subtile Entwertung, Verdrehung und emotionale Verwirrung. Gerade deshalb erkennt sie kaum jemand. Und genau deshalb ist ihr Missbrauch so verheerend. Besonders, wenn dieser in der eigenen Familie stattfindet, wo es am aller schwersten fällt, sich vorzustellen, dass die eigene Mutter oder der Vater die Täter:innen sind. Ein gesunder Mensch kann das einfach nicht glauben. Selbst wenn die Opfer die Wahrheit aussprechen und Hilfe suchen, werden häufig die Täter:innen beschützt: „Sie ist doch deine Mutter. Er ist doch dein Vater.“ Das macht faktisch allerdings leider keinen Unterschied, ob deine Eltern oder jemand Fremdes dich missbraucht. Im Gegenteil, die Opfer sind von Menschen hintergangen worden, die sie eigentlich hätten beschützen müssen. 

Diese Art von Trauma ist alleine bereits ausreichend perfide. Wird den Opfern dann auch noch ihre Wahrheit abgesprochen oder ihnen vorgeworfen, ihre Eltern zu verraten, zu übertreiben oder gar dazu aufgefordert die Taten mit deren Traumata oder „schwieriger Kindheit“ zu rechtfertigen, dann haut das doppelt rein ins Nervensystem. Genau an diesem Punkt muss gesellschaftlich noch viel passieren. Ich kenne viele Menschen, die eine schwierige Kindheit hatten. Nicht alle werden zu Täter:innen.

 

Welche langfristigen Auswirkungen hat verdeckter narzisstischer Missbrauch auf Betroffene?
Viele Betroffene leben Jahrzehnte in einem inneren Zustand von Selbstzweifel, Angst, Scham und emotionaler Abspaltung – ohne je zu begreifen, warum sie so fühlen. Sie halten sich selbst für das Problem. Sie lernen früh: „Ich muss funktionieren, sonst werde ich entzogen, entwertet, ignoriert.“ Das bleibt – und es prägt alles: Beziehungen, Selbstbild, Körperempfinden, Beruf, Bindungsfähigkeit. Verdeckter narzisstischer Missbrauch macht krank – seelisch, körperlich und spirituell.

 

Wie können Betroffene erkennen, dass sie in einer solchen Dynamik gefangen sind?
Wenn du ständig das Gefühl hast, falsch zu sein. Wenn du dich für alles entschuldigst. Wenn du dich leer fühlst, aber nicht weißt, warum. Wenn du dich nach Kontakt verwirrter fühlst als vorher. Wenn du beginnst, an deiner eigenen Wahrnehmung zu zweifeln – obwohl dein Körper längst Alarm schlägt. Dann ist es Zeit, genauer hinzusehen.

 

Welche Schritte empfiehlst du, um sich aus toxischen Familiensystemen zu befreien?
Der erste Schritt ist radikale Ehrlichkeit: Dir selbst gegenüber. Schreib dir deine Geschichte auf. Erkenne an, was war. Und was nicht war. Suche dir Verbündete – Menschen, die dich wirklich sehen. Lerne, Grenzen zu setzen, auch wenn es sich am Anfang brutal falsch anfühlt. Und wenn du kannst: Hol dir professionelle Unterstützung. Du musst da nicht allein durch.

Vielen Dank, Marie Birtel!

 

Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst:
Marie Birtel arbeitet 1:1 mit Menschen, die sich aus toxischen Strukturen lösen und ein Leben aufbauen wollen, das wirklich ihnen gehört. Mehr dazu findest du auf Marie’s Website: www.mariebirtel.com . Und denk dran: #IamEmma – weil deine Geschichte zählt. Und du nicht allein bist.

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